… auf lettisch Kuldiga. Zwischenstopp in einem ursprünglichen, ungewöhnlich hübschen Dorf an einem Wasserfall. Touristisch zwar, aber gut auszuhalten. Und endlich können wir mal eins der alten Häuser von innen sehen. Im ersten Stock über einem Cafè wurde mächtig restauriert, Wandbemalungen freigelegt, Dielen geschliffen usw. Wunderschöne Räume, in denen aktuell eine Ausstellung beheimatet ist. Wir verlieben uns in einen Siebdruck, der irgendwann nach Hamburg geschickt wird …
Die befolgen wir am nächsten Tag. Die lettische Nationalbibliothek bietet Übersicht über die Stadt und eine sehr gut gemachte Ausstellung über die Geschichte des lettischen Buchdrucks vom Mittelalter bis heute. An der hochgelobten Architektur finden wir allerdings allerhand zu mäkeln. Unstimmige Details, schlechte Beleuchtung … und kaum Besucher. Das hat die Bibliothek in Helsinki besser hingekriegt. Da war reges Besucher- und Benutzertreiben.
Weiter mit den Rädern zu einer weiteren, kleinen Markthalle (sehr mürrische Imbissfrau mit sehr leckerem regionalem Mittagstisch.) Vorbei an wunderschönen, leider komplett runtergekommenen Mietshäusern (Jugendstil), von denen wir uns wünschen, dass sie rechtzeitig restauriert werden. Riga erinnert uns mit der mächtigen Düna (Daugava) ein bisschen an Hamburg oder vielleicht sogar eher Köln. Städte mit Flüssen sind besonders – vielleicht, weil das Wassser eine andere Ebene reinbringt? Ich denke mir, ein Flohmarkt ist eine gute Idee und Google führt uns in ein anderes Viertel. Der Flohmarkt entpuppt sich als Schrottsammlung. Das Zeug will man nicht mal geschenkt haben. Sehr skurrile Veranstaltung mit schrägen Gestalten. Wir trauen uns nicht einmal, ein Foto zu machen. Abends landen wir wieder im Folksklub und snacken noch eine Beer-Plate mit Knoblauchbrot, fantastischem Räucherschinken und Gurken- und Möhrenstücken (die es nicht unbedingt gebraucht hätte).
… hier finden wir den Beweis, dass es schon im Mittelalter Selfies gab … nur die Handys sahen noch ein bisschen anders aus.
Und auch die Letten haben ihre Meinung zu Putin, die sie gegenüber der russischen Botschaft präsentieren.
Linke StraßenseiteRechte Straßenseite
2 Antworten zu „Riga, Tag 2“
Gerd Muller
Hallo ihr Lieben, eine Frage zu den ‘Handy Statuen’. Der Doppeladler sieht dem russischen Wappentier sehr ähnlich, auch wenn natürlich Österreich und das Römische Reich Deutscher Nation ebenfalls Doppeladler als Wappentier nutzten. Wisst ihr etwas über den Bezug im Zusammenhang mit dem Gebäude? Der Schlüssel daneben sieht eigentlich aus wie der Schlüssel beim Becks Bier, nur andersherum. Gibt es da eine geschichtliche Verbindung mit der Hanse, Bremen und Lübeck?
Wir stellen dieses wunderbare, gefundene Wort zur Verfügung. Hilft zuverlässig bei der Vertreibung böser Geister!
Geerdet nach Riga. Dieses Mal gibt es ein rbnb in der Altstadt. Also im Hinterhof der Altstadt. Auch sehr schräg, der Eingang zwischen den Hinterausgängen der Gastronomie, wo die Angestellten ihre Pausen machen. Die Unterkunft ist gut, wir schätzen das eigene Badezimmer und die Waschmaschine …
Am Abend besuchen wir ein Orgelkonzert – im Rahmen des »38TH INTERNATIONAL ORGAN MUSIC FESTIVAL« im Dom. Die Orgel soll besonders sein und das ist sie auch. Es spielt Una Cintiņa zusammen mit einer Assistentin (?), die wie wild Register und auch Tasten bedient und Noten umblättert. Eindrucksvoll und ein gut gemischtes Repertoire (O. Gjeili, B. Britten, M. Pētersone, F. Liszt).
Auf der Suche nach lokaler Küche finden wir den Folksklub Ale, in Kellergewölben untergebracht, mit Livemusik und extrem reizender Bedienung, die uns noch mit handgeschriebenen Sightseeingtipps versorgt.
Wir kommen nach Lettland und – um es vorwegzunehmen – wir haben nicht damit gerechnet, dass es uns so gut gefällt! Die Küste ist wirklich besonders und bestechend schön mit kilometerlangen Sandstränden und Dünen. Dazu extrem sauber und angenehm einsam.
… erstens haben wir keine Lust, schon wieder eine Stadt zu besuchen und zweitens testen wir unsere Theorie, dass das Wetter an der Küste besser ist. Ist es meistens auch …
Wir fahren also – erstmal – an Riga vorbei und Richtung Kolka, die nördlichste Spitze Lettlands. In Melnsils finden wir einen Campingplatz am Strand mit Wald im Rücken, sehr netter Atmosphäre und liebevoll gestaltet. Es gibt Wohnfässer mit Blick aufs Meer, ausgebaute Boote zum Übernachten, Streichelzoo und Spielplatz, Feuerstellen usw.
Im Wald finden wir die ersten reifen Blaubeeren und so viele Pfifferlinge, dass wir mehrere Mahlzeiten damit zubereiten. Pfifferlinge sind auch die einzigen Pilze, die wirklich, wirklich eindeutig und unverwechselbar sind. Meine Großeltern waren echte Pilz-Spezies und als Kind in den Ferien dort wurde „in die Pilze gegangen“. In Hessen, wo die Pfifferlinge auch sandigen Waldboden gefunden hatten …
Hier bleiben wir für vier Tage, machen Spaziergänge am Strand und im Wald und erfinden KLAPP-KROSS. Dabei fährt man mit dem Klapprad quer durch den Wald und am Strand entlang und sammelt zwischendrin so viele Pilze, wie es nur irgend geht. Im Moment sind wir alleinige Titelverteidiger, nehmen aber jede Herausforderung an!
Es tauchen aber auch echte Ralleyfahrzeuge auf. Der Gumbalkan 25 kreuzt unseren Weg (gumbalkan.cz/english/). Es geht darum, mit möglichst billigen Autos, die möglichst besonders gepeppt sind, verschiedene Punkte in Tschechien, Polen und den baltischen Staaten abzufahren. Einige machen Halt auf dem Campingplatz, die Wagen beklebt, bemalt, mit Stofftieren bestückt und die Fahrer (tatsächlich fast ausschließlich Männer) im Vintagelook mit lila-türkisfarbenen Trainingsanzügen und flotten Schnäuzern …
Bizarre Randerscheinung: eine Konstanzer Harfenistin, die eifrig die Harfe aus- und einpackt und stundenlang den Campingplatz mit sphärischen Klängen untermalt.
HOW? By a car, bike, trike or tractor? We highly recommend a car. Buying price should NOT exceed the equivalent of 25.000czk which is about 967.29 Euro. The modifications are not considered in the buying price. AWD sucks. Buy a beater and have a blast in it. Don’t spend too much on the car or you will kill the spirit. Or get yourself some old (older than 33years) beater and enjoy the adventure with an old car.
gumbalkan.cz/english/
Auf dem Weg nach Riga machen wir Halt in Pedvale – Freilichtmuseum und artists in resindence space. Hauptsächlich Steinskulpturen, ein bisschen Holz, lässig über die Länderein verstreut. Macht Spaß, das bei einem Spaziergang zu betrachten. Wir stolpern dann noch in die Vernissage eines Artist in Resindence mit dem Rest der Artists, die Picknick vor dem Kunstwerk (Felsen, aus denen Beine ragen) machen. Die einzig deutsche Teilnehmerin ist froh, deutsch mit uns sprechen zu können und erklärt uns die Umstände …
Architektonisch ist es im Norden abwechslungsreicher als bei uns. Klein, groß, unterschiedliches Material, verschiedene Richtungen … Das gibt den Ortschaften ein lebendigeres Bild – nicht so genormt, wie man das bei uns meistens kennt.
Wir machen Halt in Pärnu, einem Kurort mit uralten Parkanlagen und der größten Birke, die wir bis jetzt gesehen haben!
Schon fast an der lettischen Grenze verbringen wir eine letzte Nacht in diesem überraschenden, beeindruckenden Land.
Eine Antwort zu „hüvasti eestimaa!“
Anonym
Die Birke beeindruckt tatsächlich. Glaubte immer, die höchste Birke sei die, die ich im Hinterhof von unserem Klo-fenster in Kiel sehen konnte, denn die hatte es auch in sich. Diese allerdings scheint noch ne Ecke größer zu sein. Da weiss man gleich, man ist im Norden. Auf dieser Seite des Atlantiks findet man solche schönen Exemplare oft in Kanada. Macht weiter so. Ich kann eh nicht laufen und mich anderweitig körperlich betätigen, deshalb kommen mir Eure Berichte und Bilder sehr gelegen.
Wir fahren zum Matsalu Nationalpark. Wobei – die Nationalparks, die wir bisher gesehen haben, unterscheiden sich nicht merklich vom Rest der Landschaft. Weil die sowieso unberührt, ursprünglich und wild ist. Einziges Manko: Es gibt kaum Möglichkeiten, zu Fuß zu laufen. So schnappen wir uns mal wieder die Klappesel und machen ordentlich Strecke auf nigelnagelneuasphaltierten Straßen mit ab und zu mal einem Auto aber meistens: nichts. Es geht vorbei an Wiesen, Wald und Feldern – angenehm kleinteilig und abwechslungsreich. Wird hier eigentlich traditionelle Landwirtschaft betrieben? In der Grundschule habe ich das gelernt; mit Fruchtwechsel und Brache im vierten Jahr. Wir versuchen, ans Meer zu kommen, aber es gibt nur einen Aussichtsplatz – immerhin mit prima Kaffee im Niemandsland!
Eine Antwort zu „Feuchtfröhlich geht’s weiter“
Anonym
Ihr habt zwar immer die🌞in Euren Herzen, aber sie sollte zumindest etwas mehr für Euch scheinen. Wie schön, dass ich an Eurer Reise teilnehmen kann! Viel Freude bei neuen Entdeckungen u. Erfahrungen. M/G
Am zweiten Tag erkunden wir – bei Regen – die mittelalterliche, sehr aufwändig und schön restaurierte Altstadt. Kaffee und Kuchen gibt’s im ältesten Café vor Ort. Richtig gut und ein wunderbares Ambiente! Gegenüber an der russischen Botschaft Nadolny Gedenkschreiben … Man merkt in den russischen Grenzstaaten ziemlich deutlich die Präsenz der Bedrohung und die Stellungnahmen dazu.
Die Nacht haben wir dann etwas außerhalb mit Blick auf Tallin verbracht. Aber der Regen nervt richtig und wir wollen weiter.
Eine Antwort zu „Tallin, die Zweite“
Tanja Witteler-Bals
Guten Tag! Tallinn! Toll dort oder? Und jetzt auch mal eine Stadt bei der ich auch mitreden könnte! Weiterhin gute Reise euch!
Ganz liebe Grüsse aus Essen vom Bau😉
Tanja
Immer wieder gerne von Micha zitiert. Funktioniert auch umgekehrt – ich bin mir grade nicht sicher, wie das Original war …
Wir also von Helsinki schwupps nach Tallin, zweieinhalb Stunden mit der Fähre. Seit sich Estland auf einer Dokumenta vor gefühlten hundert Jahren so besonders humorvoll mit schwebenden Tannenbäumen präsentiert hat, möchte ich das mal erleben! Die estnische Tourismusseite visitestonia.com tut ihr Übriges dazu …
Faszinierende Fakten über Estland
Mehr als die Hälfte des estnischen Territoriums ist bewaldet.
Mehr als ein Fünftel der estnischen Anbaufläche ist ökologisch zertifiziert.
23 % der Fläche Estlands sind Naturschutzgebiete.
Kein Ort in Estland ist weiter als 10 Kilometer von einem Moor entfernt.
In Estland gibt es 2.317 Inseln.
Unsere Luft ist die zweitreinste in Europa.
Estland hat eine der geringsten Bevölkerungsdichten in Europa.
In Estland sind 99 % der öffentlichen Dienste 24 Stunden am Tag online verfügbar.
Auch in Tallin regnet es natürlich, aber die Stadt ist ein Hammer! Als wir da waren, fand grade das Sing- und Tanzfestival statt, zu dem Gruppen – alle in den jeweiligen Trachten – aus dem ganzen kleinen Land angereist sind. 20.000 Teilnehmer!!! Und das bei 1,5 Millionen Einwohnern. Es tat uns wahnsinnig leid, wie alle trotzend mit transparenten Regenponchos durch die Stadt gezogen sind. Es goss.
Wir dagegen haben uns zügig zum Balti Jamm orientiert. Eine riesige Markthalle. Unten gibt es vor allem lokale Lebensmittel und allerhand Streetfood und auf der Galerie Vintage Klamotten und Flohmarktschnickschnack. Das aber eher teuer und uninteressant. Leider! Wir hoffen natürlich schon die ganze Zeit auf besondere Funde …
Anschließend haben wir das Telliskivi Viertel – für uns – entdeckt. Alte Industriekomplexe, umgenutzt für Kreatives, Restaurants und Bars. Neben einer sehr guten Pizza im f-hoone gab`s einen Brassband-Auftritt und eine Padel-Party mit DJ und Grill. Padel ist wohl schwer angesagt im Norden – sieht auch echt spaßig aus!
»Die Weltmeisterschaft im Frauentragen, die jährlich in Sonkajärvi, Finnland, stattfindet, ist eine skurrile und unterhaltsame Veranstaltung, die Teilnehmer und Zuschauer auf der ganzen Welt anzieht. Bei diesem einzigartigen Wettbewerb müssen die männlichen Teilnehmer ihre weiblichen Teamkollegen in der schnellstmöglichen Zeit durch einen anspruchsvollen Hindernisparcours tragen. Die Veranstaltung ist eine reizvolle Mischung aus Humor, Sportlichkeit und finnischer Tradition und damit ein Muss für alle, die auf der Suche nach einzigartigen kulturellen Erlebnissen nach Europa reisen.«
Auf dieses skurrile Event hat uns Gabi hingewiesen. Leider war die Bewerbungsfrist schon abgelaufen – sonst wären wir gerne für Deutschland angetreten. Die passenden Klamotten sind auf jeden Fall im Gepäck! Zeigt ein weiteres Mal den finnischen Humor …
… vs. Dunkelsteigi. Vorsicht, das Witzniveau sinkt auch!
Wir haben uns blenden lassen vom Versprechen eines Hostels mit zentraler Lage und Aussicht über Stadt und Hafen aus dem 11. Stock. Einigermaßen zentral war es schon, aber mit üblem Ghetto-Feeling. Hochhäuser, um die der Wind pfiff und die Renovierungsplanen zum singen brachte. Verhuschte Gestalten. Monumentale Gangstertiefgarage mit Filmcharakter (Robbi!). Ausblick gab es zwar, aber durch schwer verdreckte Fenster … Naja. Die weichen Betten waren für zwei Nächte ok, aber wir sehnten uns sofort nach unserer Kuschelbox.
Und irgendwie haben wir Helsinki nicht zu fassen gekriegt. Es hat wirklich sehr schöne Orte, sympathische Menschen und beeindruckende Architektur. Aber wir haben die Stadt nicht begriffen. Also für uns greifbar machen können. Es hat sich kein Bild zusammengefügt aus den Einzelteilen … Trotzdem war es den Besuch auf jeden Fall wert!
Der Lasipalatsi (Glaspalast) lohnt sich zum Beispiel!
Wir hatten Glück – die Kunstbiennale fand grade statt und der Hauptteil wurde auf der Insel Vallisaari inszeniert. Deren letzte Bestimmung war ein Militärstandort. Mit einer kleinen Fähre und einer halben Stunde Fahrt waren wir vor Ort. Vallisaari ist ein Naturparadies, auf dem sich aufgrund der langen Nichtnutzung Flora und Fauna nach Lust und Laune entwickeln konnten. Für die Biennale wurden das Gelände und die Erdbunker zum Teil freigegeben und auf die Räume und Gegebenheiten zugeschnitten bespielt. Besonders gefallen haben uns die Plastikdelphine (in Bronze), die wie vergessen oder angespült, erschlafft auf den Schären lagen.
Pünktlich zum einsetzenden Regen konnten wir wieder auf die Fähre und haben uns in der Temppeliaukio-Kirche ein Konzert eines kalifornischen Chors engehört. Ganz gut, aber vor allem die Atmosphäre der Kirche ist der Wahnsinn. Rund in die Felsen gehauen, mit einer quasi schwebenden Kuppel aus Kupferbändern, die auf Betonstelen ruht.
2 Antworten zu „Hellsinki“
Gerd Muller
Schlurfe bildlich etwas hinterher (Time after Time), weil ich mir das Fußgelenk gebrochen habe und die letzten Tage stundenlang auf Ärzte warten musste. Dona ist dann auch krank geworden mit Bronchien und Stirnhöhlen Infektion. Also, so sehr Helsinki scheinbar nicht den Punkt getroffen hat für Euch, wäre ich im Moment lieber in Euren Schuhen…. Bleibt gesund! Oh, liebe die roten Wildleder Schuhe mit Stöckelabsatz !
+++ STOP +++ Wichtige Mitteilung +++ STOP +++ Urlaub sofort abbrechen +++ STOP +++ Umdrehen und Filmproduktion in Helsinki starten +++ STOP +++ 90 Min Feature Film drehen, Urlaub nächstes Jahr weiterführen, ist nicht mehr wichtig +++ STOP +++ Chormusik weiterhin aufnehmen und als Filmmusik verwenden +++ STOP +++ Habe alles Videomaterial eingepackt (125 kg auf zwei Handwagen) und steige jetzt in den Flieger nach Helsinki, ich mache Regie und Kamera, Schausspieler*innen vor Ort casten +++ STOP +++ Die Rechte liegen bei mir +++ Getränkebons und Mittagsverpflegung bei meiner Assisten einreichen, werden erstattet +++ STOP +++ STOP +++ STOP +++ Kein Signal mehr +++ STOP +++ Bitte Bier kalt stellen +++ STOP
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